Die Öffentliche Diskussion

1. Wortlaut des Gemeinderatsbeschlusses vom 18. 12. 2008

1. Die Konferenznutzung der Stadthalle soll gemäß der optimierten Variante erweitert werden. Vor einem endgültigen Beschluss soll, auf Basis der optimierten Variante, geprüft werden, ob ein wirtschaftlicher Betrieb der Stadthalle als Konferenzzentrum möglich ist. In dieser Prüfung sollen auch Aussagen zu ohnehin anfallenden Kosten der Sanierung der Stadthalle und zu den bereits vorliegenden Kosten des Betriebes eines vergleichbaren Konferenzzentrums am Bahnhof enthalten sein.

2. Auf Basis dieses Modells soll ein Betriebs- und Finanzierungsmodell vorgelegt werden.

3. Auf Basis der jetzigen Untersuchungsergebnisse soll ein Realisierungswettbewerb* ausgeschrieben werden.

* Wettbewerbe können als Ideen-, Architekten- oder als Realisierungswettbewerbe ausgelobt werden, das heißt, dass für ein konkretes Vorhaben eine optimale Lösung gesucht wird. Ein wesentliches Element des Realisierungwettbewerbs ist der dadurch zustande gekommene Vertrag zwischen Auslober und Teilnehmer, der das so genannte Auftragsversprechen enthält, das heißt, dass der Auslober verspricht, einen der Preisträge, in der Regel den ersten, mit der Planung des Projektes zu beauftragen, wenn und sobald das Projekt realisiert wird. Der Ausschreibung lag ein detailliertes Raumprogramm zugrunde. Als Finanzierung wurde ein PPP (public private partnership)-Modell zugrunde gelegt. Ein Verkehrsgutachten lag und liegt bis heute nicht vor.

2. Aussagen zum Standort

Baubürgermeister Stadel auf der Informationsveranstaltung am 15. 12. 2009:
„… an der prinzipiellen Entscheidung für den Stadthallenausbau sollte nicht mehr gerüttelt werden.“

Warum nicht, Herr Bürgermeister Stadel, wessen Interessen vertreten Sie?

Oberbürgermeister Dr. Würzner im Interview in der RNZ vom 28. 12. 2009:
„Ein innerstädtisches Stadthallenerweiterungskonzept wird von niemandem in Frage gestellt.“

Von niemand, Herr Dr. Würzner?

3. Ergebnis der RNZ-Leserbefragung vom Dezember 2009

59,6 % (937) der Leser sind gegen einen Erweiterungsbau,
43,1 % (711) sind für einen der preisgekrönten Entwürfe.

Die RNZ kommentiert das Umfrageergebnis als nicht repräsentativ.

Aussagen zur Leserbefragung:

Baubürgermeister Stadel auf der Informationsveranstaltung am 15. 12. 2009:
„Die RNZ-Abstimmung sagt nichts aus. Eine Abbildung in der Zeitung reicht nicht aus. Man muss sich in die Materie einarbeiten, um sich eine Meinung bilden zu können.“

Oberbürgermeister Dr. Würzner im Interview in der RNZ vom 28. 12. 2009:
„So unterschiedlich sind die Entwürfe nicht. Der eine hat mehr Glas, der andere mehr Sandstein.“

4. Wirtschaftlichkeit

Am 18. 12. 2008 verlangt der Gemeinderat vor einer endgültigen Entscheidung ein Wirtschaftlichkeitsgutachten.

Die Vorlage für den Gemeinderat für den 18. 12. 2008 spricht von einem jährlichen Zuschuss der Stadt Heidelberg für den Betrieb der Stadthalle von 1.000.000 bis 1.200.000 Euro.

Neue Zahlen lassen sich nicht ermitteln, es gibt dazu keine Veröffentlichungen.

Auf der Infoveranstaltung der Stadt Heidelberg am 15. 12. 2009 stellt Prof. Manfred Hegger, Darmstadt, fest:
„… kein Konferenzzentrum arbeitet profitabel“.

5. Leserbriefe an die RNZ

Für Stadthallenerweiterung

Ernest Kraft, Hotel Hirschgasse:
„die Stadthallenerweiterung hat überwiegend wertschöpfenden Effekt für Heidelberg. Ein Bürger muss seiner Stadt dienen nicht nur davon zehren. … Diese neue Wertschöpfungskette wird in der Diskussion ignoriert. … Wollen die Stadthallengegner überhaupt wissen, wie viele Arbeitsplätze und Ausbildungsverhältnisse dadurch geschaffen werden?“

Ja, die Bürger möchten es gerne wissen. Woher bekommen sie fundierte Zahlen?
Den meisten Gegnern geht es nicht darum, ein Konferenzzentrum abzulehnen, sondern um den Standort.

Gegen Stadthallenerweiterung

Angelika Metzger, Antwort an Herrn Kraft:
„Kann es sein, dass die Befürworter der Erweiterung von den Hoteliers, dem Einzelhandel und der Gastronomie gesponsert werden? … die Heidelberger Bürger bestehen nicht nur aus den genannten Interessengruppen …“

Fritz Feder:
„Der OB sollte nicht als einsamer Leitwolf mit starker Wirtschaftslobby im Rücken Großprojekte durchkämpfen. … unsere auch von ausländischen kulturell begeisterungsfähigen Besuchern hochgeschätzte Stadt sollte sich nicht den Verwertungslogikern von Kapital und Kommerz unterwerfen.“

Gerlinde Riegler:
Hofft, „… dass die schwierige finanzielle Zukunft der Kommunen bei der Entscheidung Beachtung findet“.

6. Argumente zum Standort

Für Stadthallenerweiterung:

  • Bei einem Konferenzzentrum an anderer Stelle hätte die alte Stadthalle nur noch die Funktion eines „Konzertsaals“.

    Die Stadthalle wurde als Haus für die Bürger gebaut, in dem auch Vereine und Bürger feiern können.

  • Viele Tagungsgäste haben den Wunsch, im Herzen der Altstadt mit Flussblick zu tagen.

    Das ist verständlich, die Lage ist reizvoll. Doch: Wie hoch ist die Zahl der Gäste? Rechtfertigen deren Wünsche weitere Belastungen der Altstadt?

  • Der Bahnhof ist zu weit vom Zentrum entfernt.

    Ein Fußweg von etwa 12 bis 15 Minuten Wie steht es mit dem öffentlichen Nahverkehr, einem Shuttleservice?

  • Der Bahnhof als Tagungsort wäre austauschbar.

  • „Heidelberg profiliert sich in der Stadtmitte als Stadt der Wissenschaften“ (Prof. Dr. Dr. Durth, Darmstadt)

    Frage: Werden nur wissenschaftliche Kongresse stattfinden? Sind die Universitätsinstitute in der Altstadt etwa keine wissenschaftlichen Einrichtungen?

  • „Das Areal wird städtebaulich aufgewertet.“ (Prof. Durth)

Gegen Stadthallenerweiterung:

  • Der gesamte Anlieferverkehr soll über die Untere Neckarstraße geführt werden, das führt zu einer völligen Überlastung in einem reinen Wohngebiet.

  • Das Verkehrschaos rund um die Stadthalle würde noch größer werden.

  • Das Ensemble mit der Abfolge von Plätzen würde empfindlich gestört.

  • Zwei der wenigen grünen Plätze am Neckarufer würden verschwinden.

  • Die städtebauliche Sensibilität des Neckarufers verträgt keinen weiteren Großbau.

  • Ein massiver baulicher Riegel (Länge des Neubaus insgesamt knapp 100 m, Höhe 12 m + 2,80 m Dachaufsatz) würde sich zwischen Stadthalle und Marstall schieben.

7. Fazit

Das Votum einer Vielzahl von Heidelberger Bürgern ist eindeutig:
Kein Konferenzzentrum an der Stadthalle!

Sollte der Gemeinderat gegen alle Argumente allein aus den pekuniären Interessen einer lautstark lamentierenden Lobby eine Entscheidung für den Standort an der Stadthalle entscheiden, ist etwas faul in dieser Stadt. Denn die Klagen über wirtschaftliche Einbußen allein sind noch kein Beweis für die Wirtschaftlichkeit eines Konferenzzentrums in der Altstadt.

Zahlen und Belege für die erhoffte Steigerung des Gewerbesteueraufkommens, Zahlen und Belege für die erhoffte Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze liegen nicht vor. Trotzdem wird ständig damit so argumentiert, als hinge die wirtschaftliche und kulturelle Prosperität der Stadt Heidelberg allein vom bisher bundesweit überdurchschnittlich guten Wohlergehen dieses einen Wirtschaftszweiges ab.

Die momentane wirtschaftliche Flaute hat alle Branchen betroffen, aber diese eine verlangt als Kompensation von der Stadt Investitionen in vielfacher Millionenhöhe („Die Stadthallen-Erweiterung ist das, was uns die Hütten voll macht.“, RNZ, 16. 1. 2010, S. 3). Was, wenn auch andere von der Wirtschafstkrise betroffene Branchen sich unter Hinweis auf die von ihnen entrichteten Gewerbesteuern, auf Arbeits- und Ausbildungsplätze mit der Forderung nach Kompensationen an die Stadt wenden?